Der Martinez Cocktail: Ursprung, Rezepturen und moderne Interpretationen

Der Martinez Cocktail gilt als Vorbild und Inspirationsquelle zahlreicher ikonischer Drinks, darunter der Martini in seinen vielfältigen Varianten. In der Geschichte der Mixologie spielt der Martinez eine zentrale Rolle, nicht zuletzt, weil er den Übergang von zuckerbasierten Cocktails zu Vermouth-kombinierten Mischgetränken markierte. Erstmals in der Fachliteratur erwähnt wurde der Martinez 1884 von O.H. Byron, doch seine Entstehung liegt bereits in den 1870er Jahren, zeitgleich mit dem Manhattan Cocktail. Der Martinez entstand, indem der Whiskey in einem Manhattan durch Gin ersetzt wurde, was damals eine bedeutende Neuentwicklung darstellte.

Historische Rezeptur und Herkunft

Die genaue Herkunft des Martinez liegt im Nebel der viktorianischen Barkultur des 19. Jahrhunderts, weshalb zwei rivalisierende Legenden über seine Entstehung kursieren. Die eine geht auf Jerry Thomas zurück, den legendären Bartender des Occidental Hotel in San Francisco, der 1862 angeblich einen Gast namens Julio Richelieu mit einem „Drink nach Martinez“ bediente. Die andere Legende verortet die Entstehung des Martinez in der kalifornischen Stadt Martinez selbst, wo ein unbekannter Barkeeper den Drink zum ersten Mal mixte.

Die klassische Rezeptur des Martinez besteht aus Gin, süßem Wermut (auch als Sweet Vermouth bezeichnet), Maraschino-Likör und ein paar Tropfen Cocktailbitter. Das Mischverhältnis ist meist 1:1 zwischen Gin und süßem Wermut, wobei Maraschino in geringer Menge als süße und aromatische Note hinzugefügt wird. Cocktailbitter verleihen dem Getränk eine feine Bitternote, die das Aromenprofil komplettiert.

In einigen Rezepten wird statt Gin auch Genever verwendet, eine Gin-Variante mit intensiverem Geschmack und Wacholdernoten, die in den 19. Jahrhundert noch verbreiteter war. Diese historische Rezeptur ist jedoch nicht eindeutig gesichert, und es bleibt unklar, ob Jerry Thomas der eigentliche Erfinder des Martinez ist oder ob der Drink sich spontan in der viktorianischen Bartkultur entwickelte.

Zubereitung und Ausrüstung

Die Zubereitung des Martinez ist in ihrer klassischen Form relativ einfach, erfordert jedoch die Verwendung von hochwertigen Zutaten und einer gewissen Präzision. Die Grundtechnik besteht darin, alle alkoholischen Komponenten in ein Rührglas zu geben, auf Eiswürfeln zu kaltrühren und anschließend durch einen Strainer in ein gekühltes Cocktailglas zu abseihen. Der Martinez wird traditionell mit einer Orangenzeste garniert, die entweder einfach darauf gelegt oder durch Reiben der Schale über den Rand des Glases parfümiert wird.

Ein Cocktailshaker ist nicht unbedingt erforderlich, da alle Zutaten alkoholisch sind und sich gut auf Eis vermischen. Ein Jigger wird empfohlen, um die genaue Menge an Gin, Wermut und Maraschino zu messen. Bei der Verwendung von Bittern sind Dashes (kleine Tropfengaben) üblich. Ein Barlöffel dient zum Rühren, und ein Barsieb hilft, die Eiswürfel von der Flüssigkeit zu trennen.

Rezept für den klassischen Martinez Cocktail

Zutaten

  • 60 ml süßer Wermut (Sweet Vermouth)
  • 30 ml Gin oder Genever
  • 1 Barlöffel Maraschino-Likör
  • 2–3 Dashes aromatischer Bitter (z. B. Angostura)

Zubereitung

  1. Füllen Sie ein Rührglas mit Eiswürfeln.
  2. Geben Sie den süßen Wermut, den Gin (oder Genever) und den Maraschino-Likör in das Rührglas.
  3. Fügen Sie die Bittertropfen hinzu.
  4. Rühren Sie die Mischung für etwa 20–30 Sekunden mit einem Barlöffel, bis sie gut gekühlt ist.
  5. Strainen Sie den Martinez durch ein Barsieb in ein vorgekühltes Cocktailglas.
  6. Garnieren Sie mit einer Orangenzeste, die entweder darauf gelegt oder über den Rand des Glases gerieben wird.

Die Rezeptur variiert geringfügig je nach Quelle. Einige Rezepte empfehlen 60 ml Gin, andere 30 ml, wobei die Verwendung von Maraschino-Likör optional sein kann. In einigen Fällen wird auch der Prozentsatz an Bittertropfen leicht angepasst, um das Geschmacksprofil zu verfeinern.

Wichtige Zutaten und deren Einfluss auf das Aromenprofil

Gin

Der Gin ist die Grundlage des Martinez und entscheidet maßgeblich über das Aromenprofil des Cocktails. In der historischen Rezeptur wurden englische Gin-Sorten wie Old Tom Gin bevorzugt, die durch ihre mildere Wacholdernote und etwas süßere Komponente charakterisiert sind. Heutige Gin-Sorten sind vielfältiger, weshalb die Wahl des Gins einen großen Einfluss auf das Ergebnis des Martinez hat.

Old Tom Gin, wie Hayman’s oder Ransom, eignet sich besonders gut, da sie den historischen Rezepturen am nächsten kommen. London Dry Gin hingegen bringt mehr Wacholder und weniger Süße mit sich, was den Martinez etwas trockener und weniger komplex wirken lässt.

Süßer Wermut

Der süße Wermut verleiht dem Martinez eine cremige Textur und eine süße, herb-würzige Note. Wermut (Vermouth) ist ein aromatisierter Wein mit verschiedenen Kräutern, Blüten und Gewürzen. Süßer Wermut enthält mehr Zucker und aromatische Komponenten, was ihm eine warme, süße und herb-würzige Note verleiht.

Qualitativ hochwertige süße Wermuts wie Carpano Antica Formula oder Punt e Mes sind empfehlenswert, da sie die Aromen des Martinez gut ergänzen. Einige moderne Wermuts, die speziell für den Martinez hergestellt werden, sind ebenfalls eine gute Wahl, da sie auf die Komplexität und Süße abgestimmt sind.

Maraschino-Likör

Der Maraschino-Likör stammt aus der Region um Triest und wird aus getrockneten Maraschino-Kirschen hergestellt. Er ist süß, aromatisch und verleiht dem Martinez eine cremige Textur sowie eine leichte Kirschnote. In einigen Rezepten wird der Maraschino-Likör weggelassen, da er heute schwer zu beziehen ist und der Geschmack durch andere Süßungsmittel ersetzt werden kann.

In der historischen Rezeptur war der Maraschino-Likör jedoch ein fester Bestandteil, und viele Bartender empfehlen heute noch, ihn nicht wegzulassen. Luxardo Maraschino ist eine beliebte und verfügbare Marke, die den Geschmack des klassischen Martinez gut trifft.

Bitter

Cocktailbitter sind in winzigen Mengen hinzugefügt und verleihen dem Martinez eine feine Bitternote, die die süße Komponente ausbalanciert. Aromatische Bitter, wie Angostura oder Boker’s, sind üblich. In einigen modernen Interpretationen werden auch andere Bittersorten wie Peychaud’s Bitters verwendet, um das Geschmacksprofil zu verändern.

Der Martinez als Vorbild für den Martini

Der Martinez gilt als direkter Vorfahre des Martini, der im Laufe der Zeit immer trockener wurde und sich schließlich als „Dry Martini“ etablierte. Der Übergang vom Martinez zum Martini war fließend, und es gibt mehrere Zwischenformen, die den Prozess der Entwicklung sichtbar machen.

Ein Beispiel ist der „Marguerite Cocktail“, der 1904 von Stuart’s Fancy Drinks beschrieben wurde und aus Plymouth Gin, Dry Vermouth und Orange Bitters besteht. Dieser Drink kann als Übergang zwischen süßem Wermut-Getränken wie dem Martinez und dem trockenen Martini angesehen werden.

Der Dry Martini, wie wir ihn heute kennen, besteht aus London Dry Gin und trockenem Vermouth. Er ist klarer, trockener und weniger süß als der Martinez. Der Dry Martini wurde in den frühen 1900er Jahren populär und etablierte sich als einer der ikonischsten Cocktails der Welt. Ein weiterer Schritt in der Entwicklung war der Gibson Martini, bei dem die Garnitur aus Perlzwiebeln besteht, und der Wodka Martini, der sich durch die Verwendung von Wodka statt Gin auszeichnet.

Moderne Interpretationen und stilistische Varianten

In der zeitgenössischen Mixologie erfährt der Martinez eine Renaissance, da Old Tom Gin und verschiedene Vermouths wieder an Popularität gewonnen haben. Bartender und Cocktail-Enthusiasten experimentieren heute mit der klassischen Rezeptur, um neue Geschmacksprofile zu erzeugen.

Ein Beispiel ist die Interpretation von Jim Meehan (PDT, New York), der sich eng an die klassische Struktur hält, jedoch hochwertige Produkte verwendet. Sein Martinez besteht aus Old Tom Gin, süßem Wermut, Luxardo Maraschino und Bittertropfen. Das Ergebnis ist ein klarer, fokussierter Drink mit runden Kirschnoten und weichem Wacholderaroma.

Ein weiteres Beispiel ist die Interpretation von Joaquín Simó (Pouring Ribbons), der den Martinez mit aromatischer Tiefe betont. Er verwendet fassgereiften Ransom Old Tom Gin, Punt e Mes, Luxardo Maraschino und Jerry Thomas Bitters. Der Drink wird mit einer Orangenzeste garniert und hat eine komplexere, herb-würzige Struktur.

Diese modernen Interpretationen zeigen, dass der Martinez nicht nur historisch relevant ist, sondern auch in der heutigen Bartkultur eine Rolle spielt. Seine Komplexität und die Vielfalt an Geschmacksnoten machen ihn zu einem beliebten Cocktail, der sich sowohl klassisch als auch modern genießen lässt.

Der Martinez in der heutigen Bartkultur

Trotz der Existenz zahlreicher moderner Cocktails bleibt der Martinez ein fester Bestandteil der klassischen Barkarte. Er wird von vielen Bartendern als eine der elegantesten und komplexesten Rezepturen angesehen, da er alle vier Grundelemente eines Cocktails vereint: Süße, Bitterkeit, Aromatik und Kräuterwürze.

Im Gegensatz zum Martini, der sich durch seine Einfachheit und Minimalismus auszeichnet, ist der Martinez ein komplexes Aromenbild, das sich durch die Kombination aus Gin, süßem Wermut und Maraschino-Likör definiert. Diese Kombination macht ihn besonders interessant für Cocktail-Enthusiasten, die Wert auf Komplexität und Geschmacksnuancen legen.

In vielen Bars und Cocktail-Locations wird der Martinez heute wieder entdeckt und in modernen Varianten serviert. Die Wiederbelebung von Old Tom Gin und der wachsenden Zahl an hochwertigen Vermouths hat dazu beigetragen, dass der Martinez seine Stellung als Klassiker behält und gleichzeitig neue Interpretationen erfährt.

Fazit

Der Martinez Cocktail ist mehr als nur ein historisches Rezept — er ist ein Meilenstein in der Entwicklung der modernen Bartkultur. Seine Entstehung im 19. Jahrhundert markiert den Übergang von zuckerbasierten Cocktails zu Vermouth-kombinierten Getränken und hat den Weg für den Martini und seine zahlreichen Varianten geebnet. Heute ist der Martinez ein Klassiker, der durch seine Komplexität und Eleganz beeindruckt.

Die Zubereitung des Martinez ist einfach, erfordert jedoch die Verwendung von hochwertigen Zutaten und eine gewisse Präzision. Die Kombination aus Gin, süßem Wermut, Maraschino-Likör und Bittertropfen ergibt einen harmonischen, aromatischen Cocktail, der sowohl traditionell als auch modern serviert werden kann.

Die Vielfalt an modernen Interpretationen zeigt, dass der Martinez nicht nur historisch relevant ist, sondern auch in der heutigen Bartkultur eine Rolle spielt. Er ist ein Beweis dafür, dass klassische Rezepturen sich durch die Verwendung moderner Techniken und Zutaten weiterentwickeln können, ohne ihre Essenz zu verlieren.

Quellen

  1. Cocktail Society – Martinez Cocktail
  2. Millennium Bartending – Martinez Cocktail
  3. Zucker und Zeste – Martinez Cocktail
  4. Malt Whisky – Dry Martini
  5. Barrel Brothers – Martinez Rezept

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