Rizinusöl-Cocktail zur Geburtseinleitung: Rezepturen, Wirkung und Risiken

Die Einleitung einer Geburt ist ein entscheidender Moment im Schwangerschaftsverlauf. Während medikamentöse Methoden wie Prostaglandine und Oxytocine in der modernen Geburtsmedizin weit verbreitet sind, greifen viele werdende Mütter nach alternativen, sogenannten „natürlichen“ Methoden. Eines dieser Mittel ist der sogenannte Wehencocktail, der Rizinusöl als zentralen Bestandteil enthält. In der Anwendung und Wirkung dieses Cocktails gibt es zahlreiche Rezepturen, wissenschaftliche Studien und Diskussionen, die im Folgenden detailliert beschrieben werden.

Was ist ein Wehencocktail?

Ein Wehencocktail ist ein Getränk, das zur Einleitung der Geburt eingesetzt wird. Es basiert auf Rizinusöl, das als Abführmittel wirkt und durch die Stimulation der Darmtätigkeit indirekt Wehen auslösen kann. In der Regel enthält der Cocktail zusätzliche Zutaten wie Aprikosensaft, Mandelmus, Alkohol (z. B. Sekt oder Schnaps) und manchmal Eisenkraut.

Der Wehencocktail wird häufig als „natürliche“ Alternative zur medikamentösen Einleitung wahrgenommen, obwohl er in der medizinischen Praxis durchaus als wirksames Mittel betrachtet wird, wenn der Körper bereits geburtsbereit ist. Dennoch ist er kein Mittel, das ohne medizinische Begleitung angewendet werden sollte. Viele Schwangere und Hebammen empfehlen, den Cocktail nur in Absprache mit der betreuenden Hebamme oder dem behandelnden Frauenarzt einzunehmen, da er Nebenwirkungen aufweisen kann und nicht für jeden Schwangerschaftsverlauf geeignet ist.

Bestandteile und Rezepturen

Die Rezepturen des Wehencocktails variieren je nach Hebamme, Klinik oder individuellem Geschmack. Dennoch gibt es einige gemeinsame Zutaten, die in den meisten Rezepturen enthalten sind. Im Folgenden werden die gängigsten Rezepturen vorgestellt:

Rezept nach Ingeborg Stadelmann (2018)

  • 20–30 ml Rizinusöl
  • 1 Glas Aprikosensaft
  • 1 Teelöffel klarer Schnaps

Dieses Rezept ist besonders verbreitet und wird oft als Standardmischung bezeichnet. Der Alkohol dient dazu, das Rizinusöl im Saft aufzulösen und den unangenehmen Geschmack zu mildern.

Rezept aus der Hebammensprechstunde (Quelle 2)

  • 2 cl Rizinusöl (aus der Apotheke)
  • 50 ml Sekt
  • 1 Tropfen Eisenkraut (100 % naturrein)
  • Auffüllen mit Aprikosensaft

Dieses Rezept ist etwas aufwendiger zusammengestellt und enthält zusätzlichen Eisenkraut, der ebenfalls wehenfördernd wirken kann. Wichtig ist, dass der Cocktail unter fachlicher Anleitung eingenommen wird.

Rezept ohne Alkohol

Es gibt mittlerweile auch Rezepturen, die auf Alkohol verzichten. In diesen Fällen übernimmt das Rizinusöl die Hauptwirkung, da es als Abführmittel wirkt. Einige Mischungen enthalten stattdessen Mandelmus oder Eisenkraut, um den Effekt zu verstärken.

Wichtige Hinweise zur Zubereitung

  • Das Mischverhältnis der Zutaten ist entscheidend für die Wirkung und die Sicherheit.
  • Der Wehencocktail sollte innerhalb von etwa 30 Minuten komplett getrunken werden.
  • Die Wirkung kann individuell variieren: bei manchen Frauen setzt sie bereits nach einer Stunde ein, bei anderen erst nach mehreren Stunden.
  • In einigen Fällen kann die Wirkung ausbleiben, wenn das Baby noch nicht geburtsbereit ist.

Wirkmechanismus des Wehencocktails

Die Wirkung des Wehencocktails beruht hauptsächlich auf dem enthaltenen Rizinusöl. Dieses Pflanzenöl wird durch Kaltpressung aus den Samen des tropischen Wunderbaums (Ricinus communis) gewonnen und wird in der Pharmazie auch als Kastoröl bezeichnet. Es ist gelblich, dickflüssig und hat einen unangenehmen Geschmack.

Wie wirkt Rizinusöl?

  1. Abführende Wirkung: Rizinusöl wirkt als hyperosmotisches Abführmittel. Es wird im Darm nicht resorbiert und zieht Flüssigkeit an, was den Darm stimuliert und die Darmbewegungen verstärkt.
  2. Stimulation der Darmtätigkeit: Die verstärkte Darmbewegung übt indirekt Druck auf den unteren Bauch aus, was die Uterusmuskelkontraktionen anregen kann.
  3. Rezeptoraktivierung: Die in Rizinusöl enthaltene Rizinolsäure bindet an Rezeptoren in den Muskelzellen, an denen normalerweise Prostaglandine wirken. Prostaglandine sind Hormonähnliche Substanzen, die eine entscheidende Rolle bei der Einleitung der Geburt spielen.

Zusätzlich kann der enthaltene Alkohol und Eisenkraut die Wirkung verstärken. Eisenkraut ist eine Pflanze, die in der Phytotherapie als wehenfördernd angesehen wird und oft in Form von Tropfen oder Tinkturen angewandt wird.

Wissenschaftliche Hintergrundinformationen

Die Wirksamkeit des Wehencocktails wurde in mehreren Studien untersucht. Eine Studie aus dem Jahr 2009 von Knaus et al. kam zu dem Schluss, dass der Rizinuscocktail eine adäquate Alternative zur konventionellen Einleitung mit Prostaglandinen darstellen kann, insbesondere bei Mehrgebärenden.

Allerdings wurde in der S2-Leitlinie zur Geburtseinleitung von 2020 festgelegt, dass Rizinusöl nicht im ambulanten Setting empfohlen wird. Das bedeutet, dass die Anwendung des Wehencocktails nur noch in einer Klinik und unter medizinischer Überwachung erfolgen soll, da die Nebenwirkungen und die Unsicherheit der Anwendung außerhalb des klinischen Umfelds als zu groß eingeschätzt werden.

Risiken und Nebenwirkungen

Obwohl der Wehencocktail als „natürliches“ Mittel wahrgenommen wird, birgt er durchaus Risiken, insbesondere wenn er ohne fachliche Begleitung eingenommen wird. Die wichtigsten Risiken und Nebenwirkungen sind:

1. Starker Durchfall und Dehydrierung

Da Rizinusöl ein stark abführendes Mittel ist, kann es zu heftigen Durchfällen führen. Dies birgt das Risiko einer Dehydrierung (Flüssigkeitsmangel) und eines Elektrolytverlustes. In schweren Fällen kann dies zu Schwindel, Schläfrigkeit oder sogar Kreislaufproblemen führen.

2. Übelkeit und Erbrechen

Die unangenehme Konsistenz und der Geschmack des Cocktails können bei vielen Frauen Übelkeit und Erbrechen auslösen. Dies wiederum verstärkt den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust.

3. Wirkung ausbleibt oder kommt zu spät

In einigen Fällen kann der Cocktail gar keine Wirkung zeigen, wenn der Körper noch nicht geburtsbereit ist. In anderen Fällen kann die Wirkung zu spät einsetzen, was den Geburtsverlauf verzögern kann.

4. Nebenwirkungen auf das Kind

Obwohl der Wehencocktail überwiegend für die Mutter eingenommen wird, können die enthaltenen Substanzen indirekt auch auf das Kind wirken. Insbesondere bei einem unzureichenden Blutfluss oder bei Fehlentwicklungen kann die Anwendung des Cocktails zur Überlastung des Fötus führen, was in schweren Fällen sogar zu Komplikationen führen kann.

5. Fehldiagnose des Geburtsverlaufs

Da der Wehencocktail nur dann effektiv wirkt, wenn der Körper bereits geburtsbereit ist, kann er in Fällen, in denen die Zervix noch nicht vorgereift ist, irreführend wirken. Das bedeutet, dass ein angeblicher Wehenbeginn nicht auf eine tatsächliche Reife des Gebärmutterhalses zurückzuführen ist, sondern nur auf die Wirkung des Cocktails. Dies kann zu einer Fehldiagnose und damit zu unnötigen medizinischen Eingriffen führen.

6. Unverträglichkeiten und Allergien

Einige Frauen können auf Rizinusöl oder andere Bestandteile des Cocktails allergisch reagieren. Auch Eisenkraut kann in Einzelfällen unerwünschte Reaktionen auslösen.

Wann ist der Wehencocktail sinnvoll?

Der Wehencocktail sollte nur in bestimmten Fällen angewendet werden. Die wichtigsten Kriterien sind:

1. Der errechnete Geburtstermin wurde überschritten

Der Cocktail darf nur eingenommen werden, wenn die Schwangerschaft den errechneten Geburtstermin (ET) bereits um mindestens eine Woche überschritten hat. Dies ist ein entscheidender Faktor, da ein zu früher Geburtsbeginn das Risiko von Komplikationen erhöhen kann.

2. Der Körper ist bereits geburtsbereit

Das bedeutet, dass die Zervix bereits weit genug vorgereift ist. Nur dann kann die Einleitung erfolgreich sein. In Fällen, in denen der Körper noch nicht bereit ist, kann der Cocktail keine Wirkung zeigen oder sogar schädlich sein.

3. Keine Kontraindikationen bestehen

Der Cocktail darf nur eingenommen werden, wenn keine medizinischen Kontraindikationen vorliegen. Dazu gehören:

  • Vorangegangene Fehlgeburten
  • Fehlentwicklungen des Fötus
  • Vorherige C-Section
  • Blasensprung vor dem ET
  • Unklare Plazentenlage

4. Medizinische Begleitung vorhanden

Da der Cocktail Nebenwirkungen aufweisen kann, sollte er nur unter medizinischer Überwachung eingenommen werden. Dies ist ein entscheidender Aspekt, da die Reaktionen auf den Cocktail individuell stark variieren können.

Alternative, wehenfördernde Mittel

Neben dem Wehencocktail gibt es auch andere, sogenannte wehenfördernde Mittel, die angewendet werden können. Diese sind in der Regel natürlicheren Ursprungs, wirken jedoch nicht in jedem Fall und sind ebenfalls nur in Absprache mit der Hebamme oder dem Frauenarzt anzuwenden.

1. Nelkenöltampons

Nelkenöl wird in Form von Tampoons in den Vaginalbereich eingebracht. Es soll die Zervix weicher machen und die Geburtsbereitschaft fördern. Allerdings gibt es keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit dieser Methode.

2. Eipollösung

Die Eipollösung ist eine Mischung aus Eipol (das innere Eiweiß des Eies) und Wasser. Sie wird in geringen Mengen getrunken und soll die Geburt anregen. In wissenschaftlichen Studien gibt es keine klare Evidenz für die Wirksamkeit dieser Methode.

3. Akupunktur und Akupressur

Bestimmte Akupunkturpunkte, wie z. B. der Punkt BL67 (yang guan), sollen die Geburt anregen. Dieses Verfahren wird in einigen Kliniken angeboten und kann eine sinnvolle Ergänzung zur Geburtseinleitung sein.

4. Bewegung und Entspannung

Bewegung (z. B. Gehen, Schwimmen) und Entspannungstechniken (z. B. Yoga, Atemübungen) können den Geburtsverlauf unterstützen. Sie sind in der Regel sicher und können ohne medizinische Risiken angewendet werden.

Fazit

Der Wehencocktail ist ein Getränk, das zur Einleitung der Geburt eingesetzt wird und Rizinusöl als zentralen Wirkstoff enthält. In einigen Fällen kann er eine wirksame Alternative zur medikamentösen Einleitung darstellen, insbesondere bei Mehrgebärenden, wenn der Körper bereits geburtsbereit ist. Allerdings ist er kein Mittel, das ohne fachliche Begleitung angewendet werden sollte, da er Nebenwirkungen aufweisen kann und in einigen Fällen sogar schädlich sein kann.

Die Anwendung des Cocktails sollte immer in Absprache mit der Hebamme oder dem behandelnden Frauenarzt erfolgen. Die Rezepturen können variieren, und die Wirkung ist stark individuell. In der aktuellen Leitlinie zur Geburtseinleitung wird empfohlen, Rizinusöl nur noch in einer Klinik und unter medizinischer Überwachung anzuwenden.

Alternativ gibt es auch andere wehenfördernde Mittel, wie z. B. Nelkenöltampons, Eipollösung oder Akupunktur, die in bestimmten Fällen eingesetzt werden können. Auch Bewegung und Entspannung können den Geburtsverlauf unterstützen.

Quellen

  1. Wehencocktail – zur Geburtseinleitung: Gute Methode oder gefährlich?
  2. Wie wird der Wehencocktail zubereitet?
  3. Wehencocktail – was ist das?
  4. Wehencocktail mit Rizinusöl – eine schnelle und sichere Alternative?
  5. Wehencocktail Rezept – Wirkung und Risiken im Überblick

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